Immer mehr intelligente Automatisierungs- und Vernetzungslösungen zwischen Mensch und Maschine werden zukünftig in Wirtschaft und Gesellschaft zum Einsatz kommen. Bis zum Jahr 2025 werden Technologien wie Wearables, Spracherkennung und –steuerung, Virtual Reality und Augmented Reality eine wichtige Rolle in der Arbeitswelt wie auch im Alltag spielen. Der Technologieverband VDE befragte für die Studie „„E-Ing 2025: Technologien, Arbeitsmarkt, Ingenieurberuf“ Manager, Forschungschefs und Hochschulprofessoren, wie die deutsche Wirtschaft zukünftig bei Innovationen aufgestellt sein wird. Die Mehrheit der Befragten betrachtet künstliche Intelligenz und ihre Anwendungen als eines der technischen Top-Zukunftsthemen. Auf Platz 2 folgen Automation und Robotik, Bereiche, in denen Deutschland traditionell führend ist.
So hoch für die Experten das Potenzial von KI ist, so niedrig schätzen sie den Entwicklungsstand bei der Erforschung der Technologie in Deutschland und Europa ein: Nur drei Prozent sehen hier Deutschland als "Vorreiter". Spitzenreiter bei KI sind dagegen die USA (59 Prozent), China (39 Prozent) und Israel (31 Prozent), gefolgt von Japan und Süd-Korea mit jeweils 17 Prozent. Sie alle hängen Europa um Längen ab.
"Die USA und China haben einen quantitativen Vorteil: Sie verfügen im Gegensatz zu uns über einen nicht bezifferbaren Schatz an Datensätzen. Selbst wenn wir in Deutschland diese Daten hätten, wir dürften sie nicht verwenden", berichtet Ansgar Hinz, CEO des VDE. "Es ist ein Kampf gegen Windmühlen, Innovation voranzutreiben, ohne gleichzeitig die starren Leitplanken des Datenschutzes zu verletzen. Ohne leichtfertig agieren zu wollen, wir stehen uns in Deutschland selber im Weg und gefährden durch überzogene Regelungen langfristig unsere Wettbewerbsfähigkeit."
Auch wenn 41 Prozent der Befragen Deutschland als "gut aufgestellt" sehen, traut die Mehrheit unserer Forschung und Wirtschaft keine Spitzenstellung zu. Als "gut aufgestellt" wurden Japan (57 Prozent), Süd-Korea (52 Prozent), China (49 Prozent) und Israel (47 Prozent) eingestuft. Das Ergebnis überrascht Hinz nicht, denn auf die Frage, ob es in Deutschland beziehungsweise Europa genügend finanzielle Mittel für die Umsetzung revolutionärer Technologien gibt, antworteten nur vier Prozent mit ja. Es sei kein Geheimnis, dass hingegen die USA und China die Erforschung von KI massiv mit hohen Summen fördern würden.
"In Deutschland wird stattdessen lange diskutiert, was wie hoch gefördert wird. Die Politik muss endlich aufwachen und die Weichen dafür stellen, dass Unternehmen schnell und unbürokratisch gefördert werden. Gerade Start-Ups, die revolutionäre Technologien auf den Markt bringen wollen, fehlt es oftmals an Venture Capital. Wir müssen Investitionsbarrieren abbauen und attraktiver für Investoren werden. Wir müssen sie dazu bringen, ihr Geld hierzulande gut zu investieren und nicht nur im Silicon Valley. So können wir vielleicht auch die Gründer von Start-Ups, die ausgewandert sind, zurückgewinnen", fordert Ansgar Hinz.
Um Deutschland fit für die Zukunft zu machen und die Digitalisierung zu beschleunigen, empfiehlt der VDE eine Vielzahl von Maßnahmen. "Unsere Chance liegt im B2B-Bereich, allen voran bei Industrie 4.0, IT-Security und Datenschutz. Der internationale Markt hat besonderes Vertrauen in Sicherheitsprodukte aus Deutschland. Hier kommen uns unsere strengen Datenschutzrichtlinien einmal zugute", so Hinz. Eine Schlüsselrolle hierbei spielt die Mikroelektronik. Laut einer Umfrage unter 1.350 VDE‐Mitgliedsunternehmen und Hochschulen der Elektro‐ und Informationstechnik vom April 2018 fordert die Mehrheit, dass die Mikroelektronik als Schlüsseltechnologie in Deutschland und Europa gestärkt werden müsse.
"Mikroelektronik ist immer und überall. Wenn wir Chipdesign und Chipproduktion aus der Hand geben, geben wir letztlich auch neue Anwendungen und Geschäftsmodelle aus der Hand. Auch wenn Asien und die USA führend bleiben mögen, eine wettbewerbsfähige Chip-Industrie in Europa ist unabdingbar. Ansonsten bleibt Europa Importeur von Schlüsseltechnologien. Der Export, und vor allem das Geschäftsmodell Deutschland, kollabiert und damit unsere gesamte Innovationskraft, die uns derzeit so stark macht und für ein Jobwunder sorgt", warnt Hinz. Bei der Mikroelektronik gehe es ums Ganze. In Währung ausgedrückt: Es geht nicht um Millionen, sondern um Milliarden und Billionen.
Für die neue Studie „E-Ing 2025: Technologien, Arbeitsmarkt, Ingenieurberuf“ befragte der Technologieverband VDE 77 Experten, Manager, Forschungschefs und Hochschulprofessoren. Die beim VDE Tec Summit präsentierte Studie enthält Arbeitsmarktdaten, Hochrechnungen zum Ingenieurbedarf und eine Befragung unter Young Professionals im VDE. Sie wurde anlässlich des 125-jährigen Jubiläums des VDE gemeinsam mit dem Institut für Wirtschaft in Köln erstellt.
Autor: Stefan Girschner