Als künstliche Intelligenz wird der Ansatz zur Bereitstellung von Software und Hardware mit dem Ziel der "Nachbildung" menschlicher Intelligenz definiert. Auf Basis von Natural Language Processing (NLP), Cognitive Computing oder neuronalen Netzen können Antworten und Empfehlungen auf Fragen gegeben sowie auf Basis statistischer Korrelationen oder vorgegebener semantischer Beziehungen Schlussfolgerungen gezogen und diese für weitere Aktivitäten bereitgestellt werden. Um Einblicke in die Herausforderungen und Erfolgsfaktoren von künstlicher Intelligenz und Machine Learning zu erhalten, hat IDC im April 2018 in Deutschland IT- und Fachentscheider in 350 Unternehmen mit jeweils mehr als 50 Mitarbeitern befragt.
Ansätze der künstlichen Intelligenz haben schnell den Weg aus den Laboren in neue Lösungsansätze und Services gefunden. Auch wenn das Potenzial von KI erst in den nächsten Jahren durch höhere Rechenleistung und bessere Algorithmen ausgeschöpft werden kann, betrachten immer mehr Unternehmen künstliche Intelligenz und Machine Learning als praktikablen Ansatz für die Verbesserung ihrer Geschäftsprozesse. So hat rund ein Viertel der befragten Unternehmen bereits KI-Projekte umgesetzt. 69 Prozent erklärten, in den nächsten zwölf Monaten eine KI-Initiative umsetzen zu wollen.
Matthias Zacher, Manager Research und Consulting bei IDC und Projektleiter der Studie, ist überzeugt, dass künstliche Intelligenz in zwei Jahren in jedem Unternehmen präsent sein wird: "Neben den Projekten, die die Firmen gezielt anstoßen, kommt KI über Apps, moderne Anwendungen und Cloud Services in Form von Updates und neuen Releases automatisch in die Fach- und IT-Abteilungen. Aus diesem Grund sollte sich jede Organisation jetzt ganz gezielt mit KI beschäftigen, um schnellstmöglich Mehrwert der bereits am Markt verfügbaren Lösungen zu ziehen". Der Blick auf andere westeuropäische Länder zeigt, dass der Anteil der Unternehmen, die KI einsetzen oder pilotieren in Großbritannien und in den skandinavischen Ländern höher ist als in Deutschland. Hier gilt es, den Anschluss nicht zu verlieren. Der Fachkräftemangel muss hierzulande mit Priorität adressiert werden.
Künstliche Intelligenz wird in der Öffentlichkeit derzeit stark aus einer Technologieperspektive diskutiert. Für den Anwender steht jedoch eindeutig der Geschäftsnutzen im Vordergrund. So sind in 37 Prozent der befragten Unternehmen die Fachabteilungen bei der Planung von KI federführend. Bei 35 Prozent der Organisationen erfolgt die Planung und Umsetzung im Rahmen einer Partnerschaft zwischen Fachbereich und IT. Nur ein Drittel der Unternehmen beauftragt ausschließlich die IT mit der KI-Projektierung. Die IDC-Analysten sehen hier die Gefahr, dass fachliche Aspekte nicht ausreichend berücksichtigt werden und die KI-Projekte vielleicht nicht die gewünschten Resultate bringen werden.
18 Prozent erklärten, dass ihr Unternehmen über eigene Innovationscenter oder Labs für die Entwicklung geeigneter KI-Lösungen verfügt. Hierbei handelt es sich vor allem um den gehobenen Mittelstand und Großunternehmen, dem unteren Mittelstand fehlen die Ressourcen zum Aufbau solcher Zentren. Nach Einschätzung von IDC sind KI-Projekte am erfolgreichsten, wenn Fachabteilungen und IT von Anfang an kooperieren.
Obwohl branchenübergreifend großes Interesse an künstlicher Intelligenz besteht, sind KI-Lösungen noch nicht in allen Branchen im Einsatz. Banken und Versicherungen beispielsweise setzen KI-basierte Lösungen für das Schadenmanagement und Fraud Detection ein, die Öffentliche Verwaltung zur Automatisierung einiger Verwaltungsabläufe, im Gesundheitswesen kommt KI zur Früherkennung von Symptomen schwerwiegender Erkrankungen und zur Diagnoseunterstützung zum Einsatz und viele Energieversorger optimieren ihre Auslastung mittels intelligenter Netze.
"Sowohl Anbieter als auch Lösungspartner sollten ihre Projekte wesentlich stärker als bislang kommunizieren“, ist Zacher überzeugt und ergänzt: "Auch die Vorstellung kleinerer, vielleicht auf den ersten Blick wenig spektakulärer Projekte hilft, die Sichtbarkeit und den Nutzen greifbarer zu machen. Anbieter brauchen mehr Sichtbarkeit, Anwender Best Practice und Inspiration."
Fehlende Fachkräfte bremsen KI-Aktivitäten in vielen Unternehmen aus, knapp die Hälfte der Firmen gab den Mangel an Experten als die größte Hürde für die Umsetzung von Projekten an. In mehr als 80 Prozent der befragten Unternehmen fehlen Fachleute. So können Organisationen ihren Bedarf an Entwicklern und Datenbankmanagern für KI-Systeme, KI-Spezialisten, Data Scientists, Business-Analysten und Trainern derzeit nicht decken. Die Analysten erwarten, dass sich die Situation kurzfristig auch nicht entspannen wird, da viele Unternehmen Maßnahmen zur Aus- und Weiterbildung gerade erst gestartet haben und zu wenige Experten im Arbeitsmarkt verfügbar sind. Deutsche Unternehmen sollten alle Hebel in Bewegung setzen, um hier nicht ins Hintertreffen zu kommen.
Künstliche Intelligenz nutzt eine Vielzahl unterschiedlicher Technologien. Am häufigsten nutzen die befragten Unternehmen Extraktion von Wissen aus Daten (37 Prozent), Spracherkennung (32 Prozent), Überwachtes Lernen (25 Prozent), Bilderkennung/Bild-Klassifikation (23 Prozent) sowie die automatische Content-Aggregation (23 Prozent).
Auf Basis dieser Technologien setzen jeweils knapp 20 Prozent intelligente Assistenten zum Support von internen und externen Kundenanfragen, Chatbots für die Interaktion mit Kunden sowie KI/ML Cloud Services zur Anreicherung eigener Anwendungen ein. Es zeigt sich deutlich, dass die verschiedenen Lösungsansätze zwar vorerst nur vereinzelt in den Organisationen genutzt werden, das allerdings in vielfältigen Einsatzszenarien. Dieser Umstand ist noch einmal eine klare Bestätigung dafür, dass KI in ihrer ganzen Breite in den Unternehmen analysiert, evaluiert, pilotiert und genutzt wird.
Künstliche Intelligenz hat sich in den vergangenen Jahren rasant weiterentwickelt, sodass heute eine Vielzahl an KI-Plattformen, Services und Anbietern am Markt verfügbar sind. Cloudbasierte KIServices sind für 56 Prozent der befragten IT-Entscheider die bevorzugte Bereitstellungsform. Die Unternehmen nutzen sowohl KI-Services und KI-Lösungen Dritter, entwickeln aber zugleich eigene Algorithmen. In diesem Zusammenhang ist für 38 Prozent der IT-Entscheider Open Source eine Option zur Entwicklung eigener KI-Services.
Wie die IDC-Studie zeigt, haben Unternehmen die Vorteile von KI erkannt. Sie haben begonnen, KI-Projekte an den Start zu bringen und gewinnbringend für die Organisation einzusetzen. Die meisten Firmen verstehen dabei zunehmend, dass ihre Daten ein echtes Asset sind. Der Einsatz von künstlicher Intelligenz steckt trotz aller Ambitionen hierzulande noch in den Kinderschuhen – auch, wenn die geplanten KI-Projekte für die nächsten Monate überraschend hoch ausfallen.
Es ist davon auszugehen, dass KI die IT- und Fachabteilungen in den nächsten zwei bis drei Jahren sicher umfassend beschäftigen wird. Das ist auch zwingend erforderlich, denn im europäischen Vergleich liegt Deutschland im Hinblick auf die Nutzung von KI „nur“ im Mittelfeld. Dennoch: Hier gilt es im Kontext der Digitalisierung den Anschluss nicht zu verlieren. IDC ist davon überzeugt, dass mittelfristig alle Unternehmen und Organisationen KI nutzen werden: Zum einen als Basiskomponente von Next Generation Business- und Infrastrukturanwendungen und zum anderen als KI-Services und Algorithmen.
Die Unternehmen stehen jetzt vor der Herausforderung, umfassendes Know-how aufbauen, um Mehrwert aus KI zu generieren. Dafür muss KI vorrangig als Business-Thema begriffen werden. Zudem sollten IT- und Fachabteilungen KI-Projekte gemeinsam vorantreiben. KI setzt der Kreativität mit Blick auf die Fach- und Geschäftsbereiche nur wenige Grenzen.
Autor: Stefan Girschner