Maschinen generieren Daten, kommunizieren miteinander und geben dank Sensoren Hinweise für die Produktion und Bedienung. Bereits 24 Prozent der Maschinen und Anlagen in deutschen Unternehmen sind heute smart und arbeiten vernetzt. Dies geht aus einer repräsentativen Befragung von 553 Industrieunternehmen ab 100 Mitarbeitern hervorgeht, die im Auftrag des Digitalverbands Bitkom im Vorfeld der diesjährigen Hannover Messe durchgeführt wurde. "In den vergangenen Jahren hat sich in Sachen Industrie 4.0 viel getan. Machine-to-Machine-Kommunikation ist in den Fabriken Realität", erklärte Achim Berg, Präsident des Bitkom, auf der HMI am 23. April. "Jetzt geht es darum, den kompletten Maschinenpark aufzurüsten und ganze Geschäftsmodelle von analog auf digital zu drehen."
Der Begriff Industrie 4.0 steht für die vierte industrielle Revolution, in deren Verlauf die Produktion mit dem Internet zusammenwächst, was in den USA als „Industrial Internet“ bezeichnet wird. Durch digitale Technologien wie Sensoren, Big-Data-Analysen und 3D-Druck wird die Fabrik zur intelligenten Fabrik, in der Maschinen, Produkte, Kunden und Lieferanten miteinander vernetzt sind. Dadurch können Prozesse optimiert und Kosten gespart, aber auch neue Geschäftsmodelle entwickelt werden, beispielsweise auf Basis von Plattformen oder Big-Data-Analysen. Heute nutzt jedes zweite Unternehmen im produzierenden Gewerbe Industrie-4.0-Anwendungen, weitere 22 Prozent haben konkrete Pläne für den Einsatz. Somit sind 71 Prozent der deutschen Industrieunternehmen bereits im Bereich Industrie 4.0 aktiv. 18 Prozent der Befragten gaben an, noch keine konkreten Pläne für den Einsatz von Industrie 4.0 zu haben, können sich aber vorstellen, künftig solche Anwendungen zu nutzen.
Bei der Umsetzung von Industrie 4.0 gehen 97 Prozent der Unternehmen strategisch vor, wobei sich die Ansätze unterscheiden: 55 Prozent haben eine Strategie für das Gesamtunternehmen, 42 Prozent aber nur für einzelne Bereiche. "Auch wenn sich viele Unternehmen mit Industrie 4.0 auseinandersetzen, so zeigt unsere Studie doch, dass oft nur einzelne Projekte in Angriff genommen werden", erläutert Berg. "Alte Geschäftsmodelle funktionieren noch gut, gerade in Hochkonjunktur-Zeiten wie jetzt. Das Geschäft von morgen ist aber ausschließlich digital und darauf müssen wir uns jetzt entschlossen vorbereiten." Das Ausprobieren in Teilbereichen sei zwar ein guter Anfang. „Um das volle Potenzial von Industrie 4.0 auszuschöpfen, müssen aber alle Bereiche konsequent digital aufgestellt werden. Industrie 4.0 endet nicht an den Fabriktoren. Intelligente Produkte, die während ihrer Nutzung mit dem Internet verbunden sind und Daten generieren, werden erst dann richtig wertvoll, wenn den Kunden damit neue datenbasierte Smart Services angeboten werden.“
Bei Investitionen in Industrie 4.0 agiert der Großteil der Unternehmen eher vorsichtig. Fast alle Betriebe, die Industrie 4.0 anwenden oder dies planen, haben hierfür Budget in diesem Jahr eingeplant, allerdings im Durchschnitt nur in einer Höhe von fünf Prozent des Gesamtumsatzes. "Industrie-4.0-Lösungen kosten zwar erst einmal Geld, ermöglichen aber langfristig starke Effizienzverbesserungen und Kostenreduktionen entlang der gesamten Wertschöpfungskette. Nur wer signifikant in Industrie 4.0 investiert, kann den steigenden Kundenanforderungen gerecht werden und international konkurrenzfähig bleiben", so Berg. Der wichtigste Treiber für Investitionen und den Einsatz von Industrie-4.0-Lösungen sind für Anwender und Planer die Aussicht auf verbesserte Prozesse (68 Prozent) und verbesserte Kapazitätsauslastung (58 Prozent). 43 Prozent versprechen sich geringere Produktionskosten und 41 Prozent eine schnellere Umsetzung von individuellen Kundenwünschen.
Die größte Hürde beim Einsatz von Industrie 4.0 ist der hierfür nötige Mitteleinsatz. 72 Prozent aller Industrieunternehmen sagen, dass hohe Investitionskosten den Einsatz von Industrie 4.0 in ihrem Unternehmen hemmen. Anforderungen an den Datenschutz (58 Prozent) und an die Datensicherheit (56 Prozent) gehören ebenfalls zu den Haupthemmnissen. 49 Prozent betrachten den Mangel an Fachkräften als Hemmnis.
Unternehmen haben aber nicht nur Schwierigkeiten, Mitarbeiter zu finden, sie verlieren diese auch. Besonders Großunternehmen sind davon betroffen: Jedem fünften Industriekonzern mit 500 und mehr Mitarbeitern wurden bereits Mitarbeiter mit solchen Kenntnissen abgeworben oder die Fachkräfte verließen das Unternehmen auf eigenen Wunsch. Eine große Mehrheit ist sich einig, dass eine gute Aus- und Weiterbildung der Fachkräfte in der Fabrik 4.0 immer wichtiger wird. Und darauf reagieren auch die Unternehmen: So sagen 53 Prozent, dass sie ihre Mitarbeiter in diesem Jahr für Industrie 4.0 weiterbilden werden. "Die Einführung neuer Technologien, Werkzeuge und Methoden für die Industrie 4.0 hat erhebliche Auswirkungen auf die Beschäftigten in Unternehmen. Vor allem technische Fachkräfte mit langjähriger Berufserfahrung sehen sich im Rahmen der digitalen Transformation mit vielfältigen Veränderungen in ihren Aufgaben und Arbeitsweisen konfrontiert", kommentiert Berg. Entscheidend für den Erfolg von Industrie 4.0 sei es, die Menschen für den digitalen Wandel zu gewinnen.
Durch Industrie 4.0 profitieren Mitarbeiter auch bei ihren Aufgaben. So erklärten 85 Prozent der Befragten, dass durch Industrie-4.0-Anwendungen die körperliche Belastung der Arbeiter in der Fabrik künftig weiter abnehmen wird, und 48 Prozent gehen davon aus, dass die Arbeit weniger fehleranfällig wird. 41 Prozent sind überzeugt, dass komplexe Aufgaben dank Industrie 4.0 auch von eher geringqualifizierten Arbeitern übernommen werden können, Acht von zehn Unternehmen (83 Prozent) sehen in Industrie 4.0 die Voraussetzung für den Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie – und damit auch für die Sicherung von Arbeitsplätzen.
In der Selbsteinschätzung, welches Land beim Thema Industrie 4.0 führend ist, wird Deutschland unter den Top drei gesehen, mit 22 Prozent hinter den USA (26 Prozent) und Japan (25 Prozent). "Deutschland ist als Industrienation in einer guten Ausgangssituation. Wichtig ist nun, dass Unternehmen, Verbände, Gewerkschaften und die Politik zusammenarbeiten, damit Industrie 4.0 zur Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands im Zeitalter der Digitalisierung nachhaltig beitragen kann", ist Berg überzeugt.
Autor: Stefan Girschner