Eine Software, die mit künstlicher Intelligenz Sprachbarrieren überwindet, Sensoren, die Gerüche erkennen, und ein Power-to-Gas-Verfahren mit einem Wirkungsgrad von über 75 Prozent: Das sind einige der Innovationen, die das Karlsruher Institut für Technologie (KIT) auf der Hannover Messe 2019 mit dem Leitthema "Integrated Industry – Industrial Intelligence" vorstellt. Vom 1. bis 5. April 2019 ist das KIT bei zwei großen Leitmessen vertreten: auf der "Research & Technology" in Halle 2, Stand B16 und auf der "Integrated Energy" in Halle 27, Stand L51.
"Ob Innovationen für die Energiewende oder intelligente Technologien für die digitale und vernetzte Produktion in der globalisierten Wirtschaft: In Hannover zeigen wir nachhaltige Lösungen für die Herausforderungen unserer Zeit. Der umfassende Wandel unserer Arbeitswelt bietet uns Chancen, die Zukunft zu gestalten", erklärt Professor Holger Hanselka, Präsident des KIT. "Zu diesem Wandel zum Nutzen unserer Gesellschaft und Wirtschaft wollen wir beitragen und zeigen auf zwei großen Ständen in der Forschungs- und Energiehalle ‚Schaufenster‘ – vollgepackt mit Technologien und intelligenten Verfahren, die uns schon heute einen Blick in die Zukunft ermöglichen."
Beim internationalen Austausch in Wirtschaft und Politik werden bis heute Simultanübersetzer benötigt. Doch die Anforderungen an die Dolmetscher wie auch Honorare sind hoch. Forscher des Interactive Systems Lab am KIT präsentieren ein selbstlernendes System zur automatischen Simultanübersetzung: Es verbindet automatische Spracherkennung mit maschineller Übersetzung und weiteren Funktionen. Das Ergebnis steht dann auf einer Webseite zur Verfügung und ermöglicht so das Suchen über Textabfragen.
Die Spracherkennung unterstützt auch das Erstellen von Transkriptionen in Echtzeit, wie ein Projekt im Europäischen Parlament nachgewiesen hat. Das System ist übrigens in einem ausgereiften Entwicklungsstadium: 2012 wurde der automatische Vorlesungsübersetzer in Hörsälen des KIT eingebaut und hilft seitdem ausländischen Studierenden dabei, Vorlesungen in deutscher Sprache zu folgen.
Der Salvinia-Effekt ermöglicht es bestimmten Pflanzen wie den Schwimmfarnen (Salvinia), auch unter Wasser zu atmen. Dazu halten sie eine dünne Luftschicht auf der Oberfläche ihrer Blätter, die haarartige Strukturen aufweist und extrem wasserabweisend ist. Diese natürliche Strategie ist Vorbild für eine Schiffsbeschichtung, die im 2018 gestarteten EU-Projekt AIRCOAT entwickelt wird. Das Projekt, an dem zehn Forschungseinrichtungen beteiligt sind, wird wissenschaftlich vom KIT koordiniert.
Auf der Hannover Messe präsentieren die Wissenschaftler von AIRCOAT den Demonstrator einer selbstklebenden Folie, die auf den Schiffsrumpf aufgebracht wird. Diese erzeugt eine dünne Lufthülle, die den Reibungswiderstand verringert und gleichzeitig als physikalische Barriere zwischen Rumpfoberfläche und Wasser wirkt. Dadurch lassen sich Kraftstoffverbrauch und Abgasausstoß des Schiffs beträchtlich reduzieren. Die Luftschicht vermindert auch die Abstrahlung von Schiffslärm. Überdies verhindert sie die Ansiedlung von Meeresorganismen am Schiffsrumpf, das sogenannte Fouling, sowie die Freisetzung von bioziden Substanzen aus darunterliegenden Beschichtungen ins Wasser.
Durch die Digitalisierung können Unternehmen bestehende Prozesse optimieren oder ganz neue Wege gehen. So ermöglicht die Erstellung eines Digitalen Zwillings – also eines 3D-Abbilds eines realen Produkts oder Lösung – innovative Lösungen für den gesamten Lebenszyklus von Gebäuden, Produktionen und Produkten. Digitale Zwillinge sind heute nicht mehr nur ein Thema für Großunternehmen, sondern ermöglichen auch Mittelständlern Kosteneinsparungen, höhere Flexibilität und Zeitersparnisse.
Das KIT zeigt ein im Industrie 4.0 Collaboration Lab entwickeltes System, über das erstmals ein zentraler Dienst die für einen Digitalen Zwilling notwendigen 3D-Bestandsdaten hardware- und softwareunabhängig bereitstellt. Elementar ist hierbei die automatisierte Erstellung von 3D-Modellen aus Punktwolken mittels der „Click & Build“-Technik. Dabei kommen neue Algorithmen zum Einsatz, mit deren Hilfe Konstrukteure, Ingenieure oder Designer Messdaten, die beispielsweise mit einer Drohne erstellt wurden, mit einem Klick in virtuelle 3D-Objekte überführen können.
Das Erhalten von Straßen und Brücken oder auch die Gewährleistung einer stabilen Wasser- und Energieversorgung ist eine teure und komplexe Aufgabe. Dazu kommen aktuell neue Herausforderungen für den Erhalt von Infrastrukturen wie die globale Klimaerwärmung oder die Verknappung von natürlichen Ressourcen. Daher versagen immer häufiger Bauwerke im Infrastrukturbereich weit vor Ablauf der geplanten Nutzungsdauer.
Mit einem weltweit einzigartigen Ansatz entwickelt der KIT Innovation HUB präventive Maßnahmen in Form von Produkten, Technologien und Services. Dabei sind alle Stakeholder der Wertschöpfungskette Bau einbezogen – vom Rohstoffhersteller bis zum Bauherrn. Grundlage ist dabei der „Nano-zu-Makro-Forschungsansatz“, bei dem zunächst auf der molekularen Ebene detaillierte Kenntnisse über das Verhalten bauchemischer Wirkstoffe erarbeitet werden. Im nächsten Schritt werden dann mit Partnern aus Industrie und Wissenschaft marktfähige Produkte und Dienstleistungen entwickelt. Diese Strategie konnte bereits erfolgreich umgesetzt werden, etwa bei den Betriebsflächen des Flughafens Leipzig oder dem Laufenmühle-Viadukt bei Welzheim. (Stefan Girschner)