Was passiert, wenn vorausschauende Datenauswertungen auf das CRM-System, smarte Sensoren von ABB auf intelligente Salesforce-Datenbanken und Echtzeit-Maschinendaten auf Servicemitarbeiter beim Hersteller treffen? Genau – so entsteht der Industrievertrieb der Zukunft. Im gemeinsam von ABB, Salesforce und Accenture umgesetzten Projekt ist auf der Hannover Messe zu sehen, wie Predictive Analytics nicht nur automatische Warnungen über einen möglichen Ausfall erzeugen, sondern mithilfe der CRM-Lösung Salesforce Fullforce auch gleich den Account Manager beim Hersteller informieren kann. Der Mitarbeiter weiß dann schon vor dem Kunden von einem bevorstehenden Problem, um es für die Beratung nutzen zu können.
Je komplexer ein Produkt, desto größer die Herausforderung für Industriedesigner. Wie entwirft man etwas, das zugleich hohen funktionellen Anforderungen genügt und außerdem noch gut aussieht? Am Beispiel der Entwicklung einer Flugzeugkabine zeigt Accenture, wie neue Technologien den Designer bei dieser schwierigen Aufgabe unterstützen. Ausgangspunkt ist ein Digital Twin der Kabine, erstellt mit der 3D-Designsoftware Catia von Dassault. Dabei kommt die KI ins Spiel: Mit Hilfe von generativen Gestaltungsmethoden gibt der Nutzer konkrete Parameter vor. Intelligente Algorithmen schlagen daraufhin verschiedene Entwürfe vor, erstellen eine Leistungsanalyse und prüfen, ob alle Spezifikationen erfüllt sind. Somit sieht der Entwickler sofort im virtuellen Modell, ob ein Bauteil an geplanter Stelle nicht nur gut aussieht, sondern auch funktionell geeignet ist. Weiterhin nutzt die Lösung „Neural Style Transfer“, bei der die KI neue ästhetische Formen basierend auf existierenden Designs entwickelt.
Die Mensch-Maschine-Kollaboration gehört zur Fabrikhalle der Zukunft. Accenture zeigt mit IRMA (Intelligent Robotic Manufacturing Assistant) einen Cobot, der autonom die Arbeitsschritte zwischen Mitarbeitern und anderen Maschinen koordiniert. Für die Lösung wird ein AMR (Autonomous Mobile Robot) von Fetch Robotics genutzt, wie er oft in Lagerhallen genutzt wird. Dadurch kann dieser selbsttätig durch das Lager fahren und auch weiterführende Aufgaben in der Qualitätsprüfung übernehmen. Konkret entscheidet der Roboter, welche Teile von einer Maschine und welche von einem Menschen geprüft werden müssen, um sie anschließend für die Lieferung vorzubereiten. Dafür nutzt IRMA einen Digital Twin der Anlagen und der dort ablaufenden Prozesse.
Die Prozessindustrie (Chemie, Petrochemie und Stahl) gilt bislang kaum als Vorreiter in der digitalen Produktion. Dabei ist die Vernetzung aller Stufen des Förder- und Produktionsprozesses aufgrund der hohen Komplexität besonders sinnvoll. Accenture entwickelte deshalb eine integrierte digitale Lösung für alle Stufen der Wertschöpfung in der Prozessindustrie: Ob über Datenbrillen oder andere mobile Lösungen vernetzte Mitarbeiter, der Einsatz von KI zur automatisierten Auswertung von Bewegtbildern in der Produktion oder Rohstoffförderung, die Minimierung von Ausfallzeiten der Produktionsanlagen durch Echtzeit-Analyseverfahren oder datenbasierte Anwendungen zur effizienteren Rohstoffförderung in der Öl- und Gasindustrie. Die Verknüpfung dieser Technologien erhöht die Transparenz über die gesamte Wertschöpfungskette hinweg und ermöglicht effizientere Prozesse.
Mithilfe von Deep Learning bringen sich Maschinen ganz ohne menschliche Hilfe bestimmte Strategien und Verhaltensweisen bei, indem sie große Datenmengen auswerten und sich für erfolgreiches Handeln selbst belohnen. Das funktioniert bereits so gut, dass die Künstliche Intelligenz einen menschlichen Gegenspieler etwa im Brettspiel Go mit hoher Wahrscheinlichkeit immer besiegt. Wie Deep Learning und die dahinterstehenden neuronalen Netzwerke funktionieren, können Besucher am Stand auf spielerische Art bei einem virtuellen Eishockeyspiel ergründen. Sie treten gegen eine Maschine an, die sich das Spielen mit Deep-Learning-Algorithmen selbstständig beigebracht hat. Außerdem wird gezeigt, welche Vorteile die Technologie, die auf der KI-Architektur von Amazon Web Services basiert, der Fertigungsindustrie bietet.
Mit SAP Leonardo lässt sich die digitale Wertschöpfungskette in der Produktion neben der Herstellung auch auf Bereiche wie Bestellvorgang, Auftragsbearbeitung und Auslieferung ausdehnen. Dabei werden die Daten aus den unterschiedlichen Quellen in nur einer einzigen Plattform zusammengeführt. Um das zu erreichen, nutzt Accenture die SAP Leonardo Suite, welche Daten aus dem Online-Shop, den CRM-, MES- und ERP-Systemen sowie gängiger Steuerungssoftware für Maschinen integriert. Die Vorteile liegen in einer optimalen Kundenzentrierung, Verringerung des Warenbestands und sinkenden Kosten für Wartung und Betrieb der Anlagen. Das resultiert in kürzeren Markteinführungszeiten sowie einem verbesserten Kundenerlebnis. Auf der Hannover Messe veranschaulicht Accenture die Funktionsweise von SAP Leonardo anhand einer aus Fischertechnik-Bausteinen nachgebildeten Produktionsanlage, die mit Industriesensoren und Steuereinheiten ausgestattet ist. Dazu kommen mobile Lösungen für den vernetzten Fabrikarbeiter zum Einsatz.
Mit der Frage, wie sich bestehende Fertigungsanlagen und Maschinen am besten mit dem Industrial Internet of Things verbinden lassen, beschäftigen sich viele produzierende Unternehmen. Die Lösung soll nicht nur einfach umzusetzen und kompatibel mit IoT-Systemen sein, sondern auch höchste IT-Sicherheitsstandards gewährleisten. Accenture hat dafür eine Lösung entwickelt, die diverse Standard-IoT-Lösungen kombiniert und somit Kosten und Aufwand für die Umsetzung überschaubar hält. Zum Einsatz kommen Protokollwandler für die semantische Umwandlung der Daten, Edge Analytics, Plattform-Bibliotheken sowie TEE-Technologie (Trusted Execution Environment) für die sichere Datenerfassung und -austausch sowie Lifecycle Management. Für die Vernetzung von Bestandsanlagen wird eine speziell für digital nachgerüstete Maschinen entworfene Asset-Manager-App genutzt, wobei die Daten in Siemens MindSphere verarbeitet werden. Für Datensicherheit wird die TEE-Lösung Kinibi von Trustonic genutzt, die insbesondere für IoT-Anwendungen entwickelt wurde. Wie das in der Praxis funktioniert, zeigt Accenture anhand des Modells einer Stempelpressmaschine. (Stefan Girschner)