Dreidimensionales Drucken ermöglicht die Herstellung besonders kleiner und komplexer Strukturen – und das auch in kleiner Serie. Glas als einer der ältesten Werkstoffe der Menschheit bietet durch Merkmale wie Transparenz, Hitzebeständigkeit und Säureresistenz im 3D-Druck neue Anwendungsmöglichkeiten in der Fertigung und Forschung, beispielsweise in der Optik, der Datenübertragung und Biotechnologie. Mit dem vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT) entwickelten Verfahren lässt sich Glas erstmals für diese Technik nutzen. KIT wird das neuartige 3D-Druckverfahren mit Glas wie auch weitere technologische Innovationen auf der Hannover Messe in Halle 2 am Stand B16 präsentieren.
Die neuartige Methode, Glas für die additive Fertigungstechnik zu verwenden, hat ein interdisziplinäres Team am KIT um den Maschinenbauingenieur Dr. Bastian E. Rapp entwickelt. Die Forscher gehen dabei folgendermaßen vor: Zunächst werden Nanopartikel hochreinen Quarzglases mit einer kleinen Menge flüssigen Kunststoffs gemischt. Diese Mischung wird dann durch Licht, mittels Stereolithografie, an bestimmten Stellen ausgehärtet. Das flüssig gebliebene Material wird in einem Lösungsmittelbad herausgewaschen, dadurch bleibt die gewünschte, ausgehärtete Struktur bestehen. Der in dieser Glasstruktur noch befindliche Kunststoff wird durch Erhitzen entfernt.
„Die Form ähnelt zunächst einem Sandkuchen, sie ist zwar geformt, aber instabil, deshalb wird das Glas in einem letzten Schritt gesintert, also so weit erhitzt, dass die Glaspartikel miteinander verschmelzen“, erklärt Dr. Bastian Rapp, der am Institut für Mikrostrukturtechnik am KIT eine Arbeitsgruppe leitet, der Chemiker, Elektrotechniker und Biologen angehören. Unter dem Titel „Three-Dimensional Printing of Transparent Fused Silica Glass“ stellen die Wissenschaftler das Verfahren in der Fachzeitschrift Nature vor.
Die unterschiedlichen Techniken des 3D-Drucks waren bislang für die Verwendung von Kunststoffen oder Metallen geeignet, nicht jedoch für Glas. Wurde es zu Strukturen verarbeitet, zum Beispiel durch Schmelzen und Applizieren mittels einer Düse, wurde dessen Oberfläche sehr rau, zudem war das Material porös und enthielt Hohlräume. „Wir stellen eine neue Methode vor, die eine Innovation in der Materialprozessierung bedeutet. Das Material des gefertigten Stücks ist hochreines Quarzglas mit seinen entsprechenden chemischen und physikalischen Eigenschaften“, erklärt Rapp. Die von den Wissenschaftlern gefertigten gläsernen Strukturen weisen Auflösungen im Bereich weniger Mikrometer auf – ein Mikrometer entspricht einem Tausendstel Millimeter. Laut Rapp kann die Abmessung der Strukturen im Bereich von mehreren Zentimetern liegen.
Ein Anwendungsbeispiel für 3D-geformtes Glas ist die Datentechnik. „Die übernächste Generation von Computern wird mit Licht rechnen, das erfordert komplizierte Prozessorstrukturen, mit Hilfe der 3D-Technik könnten beispielsweise kleine, komplexe Strukturen aus einer Vielzahl kleinster, unterschiedlich ausgerichteter optischer Komponenten hergestellt werden“, erläutert Rapp. In der biologischen und medizinischen Technik könnten zum Beispiel kleinste Analysesysteme aus Miniatur-Glasröhrchen gefertigt werden. Zudem wäre es möglich, 3D-geformte Mikrostrukturen aus Glas in unterschiedlichsten Anwendungsgebieten der Optik zu verwenden, vom Brillenglas mit besonderen Anforderungen bis zur Linse einer Kamera in Notebooks.
Die Entwicklung der Forscher um Nachwuchsgruppenleiter Bastian E. Rapp ist ein Ergebnis im Zuge der Nachwuchsförderung „NanoMatFutur“, mit der das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) die Entwicklung von Werkstoffinnovationen für Industrie und Gesellschaft unterstützt. Die Arbeit der von Rapp geleiteten Forschergruppe wird vom BMBF seit 2014 für insgesamt vier Jahre mit rund 2,8 Millionen Euro gefördert. (Stefan Girschner)
Der Originalbeitrag über das neue Druckverfahren wurde im Fachmagazin Nature mit dem Titel "Three-Dimensional Printing of Transparent Fused Silica Glass" veröffentlicht. Autoren: Frederik Kotz, Karl Arnold, Werner Bauer, Dieter Schild, Nico Keller, Kai Sachsenheimer, Tobias M. Nargang, Christiane Richter, Dorothea Helmer und Bastian E. Rapp. DOI: 10.1038/nature22061