Bislang ist die individuelle Fertigung von Bauteilen weitestgehend noch nicht umgesetzt. Forscher des Fraunhofer-Instituts für Graphische Datenverarbeitung IGD haben jetzt die Vision von der Losgröße eins weiter mit einem neuartigen 3D-Scansystem weit vorangebracht. "Das Besondere an unserem System: Es scannt Bauteile erstmals autonom – und zwar in Echtzeit", erklärt Pedro Santos, Abteilungsleiter am Fraunhofer IGD.
Für Oldtimer-Besitzer mit einem defekten Bauteil heißt das: Es wird notdürftig zusammengeklebt und auf einen Drehteller gelegt, der sich unter einem Roboterarm mit dem Scanner befindet. Dann fährt der Roboterarm den Scanner so um das Bauteil herum, dass er mit möglichst wenigen Scans die komplette Geometrie erfassen kann. Dafür braucht er, je nach Größe und Komplexität des Bauteils, nur einige Sekunden bis wenige Minuten. Bereits während des Scans erstellen intelligente Algorithmen im Hintergrund ein dreidimensionales Abbild des Objekts. Eine anschließende Materialsimulation des 3D-Abbilds überprüft, ob ein 3D-Druck den Anforderungen an die Stabilität genügt. In einem letzten Schritt wird das Bauteil über einen 3D-Drucker ausgedruckt und kann im Oldtimer verbaut werden.
Die Entwicklungsleistung liegt jedoch nicht im Scanner selbst, wie Santos betont, sondern vielmehr in der Kombination des Scanners mit einer Ansichtenplanung zu einem autonomen Gesamtsystem, die ebenfalls von Fraunhofer IGD entwickelt wurde. Darin ermitteln Algorithmen anhand eines ersten Scans, welche weiteren im Anschluss sinnvoll sind, sodass das Objekt mit möglichst wenigen Scans erfasst wird. Diese Vorgehensweise ermöglicht es dem System, auch unbekannte Objekte automatisch zu vermessen.
Dies ist bislang einmalig, denn bisher mussten Scanner entweder angelernt werden oder man musste das CAD-Modell des Bauteils besitzen, um die Lage des Objekts relativ zum Scanner zu erkennen. Hatte man für die Qualitätskontrolle (Soll-Ist-Vergleich) den Scanner zum Beispiel für ein Autositz angelernt, so würde er die nächsten 200 Autositze scannen können, weil sie in der Massenproduktion weitgehend identisch sein würden. Für die Losgröße eins sind solche Scanner allerdings wenig geeignet. "Unser Scansystem dagegen kann jedes beliebige Bauteil vermessen, unabhängig davon, wie es ausgerichtet ist – und man muss es nicht anlernen. Auch Informationen zu CAD-Modellen oder Templates – also die Vorgaben von Standardformen, die ein Bauteil üblicherweise aufweist – sind nicht nötig", erklärt Santos.
Durch diese Alleinstellungsmerkmale ermöglicht der autonome Scanner gänzlich neue Anwendungen. So kann das Geräte als Fertigungsassistenz dienen und die Zusammenarbeit von Mensch und Maschine verbessern. Diese Interaktion steht im Projekt „Autoware“ im Fokus, das von der EU gefördert wird. Die Aufgabenstellung liegt im Zusammensetzen von Zylindern samt Kolben, Gehäuse und Dichtungen. Bisher werden die Zylinder manuell zusammengesetzt, die anschließende Qualitätskontrolle erfolgt über eine ausgedruckte Liste und manuelle Messungen.
"Unser 3D-Scansystem versetzt Roboter nun in die Lage, über einen Abgleich mit der Datenbank sowohl zu erkennen, welches Bauteil er gerade vor sich hat, als auch zu ermitteln, welche sein menschlicher Mitarbeiter zum Zusammensetzen des Zylinders als nächstes braucht", erläutert Santos. Zudem übernimmt die Maschine per Scan die abschließende Qualitätskontrolle, zum Beispiel ob der Zylinder maßhaltig ist. Im Rahmen weiterer Projekte arbeiten die Forscher des Fraunhofer IGD zudem daran, die gesamte Kette von Erfassung, Visualisierung und 3D-Reproduktion durchzuspielen.
Auf der Hannover Messe vom 23. bis 27. April 2018 stellen die Forscher ihr autonomes Scansystem in Halle 6, Stand A30 vor. Die Besucher können vor Ort verschiedene Objekte unter den Laserscanner legen und sich das live erstellte Ergebnis am Monitor anschauen. Außerdem können mitgebrachte Gegenstände gescannt werden.
Autor: Stefan Girschner